4. März 2014

Selbst die schönste Fasnet geht einmal zu Ende - auch der Wolfacher ist dieses Schicksal beschieden. Doch ein Höhepunkt folgt ganz am Schluss: Nach vielen Veranstaltungen und inzwischen bereits 10 Umzügen, bereiten sich die Wolfacher Männer am Fastnachtsdienstag auf einen in der schwäbisch-alemannischen Fastnachtslandschaft besonderen Umzug vor - den Nasenzug. Bei ihm allerdings sind die wirklichen Helden die Frauen, die man in den Stadtbrunnen wirft! Er ist der letzte Umzug vor dem Ende der Fasnet: Man trifft sich unter dem Magnolienbaum vor dem Schlosstor. Kurz bevor das Tageslicht schwindet, sammeln sich am Fasnetszieschtig über 300 Männer und Buben zum traditionellen Nasenzug. Aber nicht nur Männer stecken unter den Nasen: obwohl es Frauen und Mädchen nicht erlaubt ist, am Nasenzug teilzunehmen, mischt sich das weibliche Geschlecht zur Gaudi des Publikums Jahr für Jahr unter die Männer. Wird eine Frau dabei "erwischt", wird sie in den Stadtbrunnen geworfen. Eben darum versammelt sich ganz Wolfach um den Stadtbrunnen, zu einer im Deutschen Südwesten einmaligen Fasnetsgaudi.

Gut zwei Stunden dauert der Nasenzug, im Trippelschritt geht es durch die Stadt: durchs Rathaus und die Polizeiwache, ebenso wie durch die Gasthäuser. Gefragt sind dabei nicht kostbare Häser und Masken, sondern Originalität. Im Nasenzug begegnet einem die Fasnet in einer bewundernswerten Einfachheit. Die Männer und Buben tragen ihre Kittel letz herum, also die Innenseite nach außen gekehrt zur besseren Auslüftung. Den obligatorischen Hut schmückt keine bunte Vogelfeder, sondern ein schlichter Holzspan, ein "Reifschniederspan". Selbstverständlich gleicht keine Nase der anderen. Hier erkennt man Improvisations-Künstler und kreative Talente aller Stilrichtungen. Manche präsentieren sogar lokale oder gesellschaftliche Themen en miniature auf ihrem Zinken. Auch bei den mitgeführten Krach-Instrumenten stammen die wenigsten aus einer Musikalienhandlung: Kuhhörner, Topfdeckel, Schellen, ja auch Autofelgen und Kreissägeblätter sind unter anderem zu hören, und ein kräftiger Lärm (die Nasenzügler nennen es ihre Musik), kündigt das Ereignis schon von weitem an. Als Gürtel dient ein einfaches Rinderseil, mit dem sich manche aneinander binden, um Verirrungen zu vermeiden.

Punkt 17 Uhr setzt sich ein langer Gänsemarsch, Mann hinter Mann, in Bewegung. Voraus geht der Nasenzug-Anführer. Mit seinem bunt geschmückten Kehrausbesen zeigt er an, was die Stunde geschlagen hat. Im Zickzack und Mäander, auf einem nicht festgelegten Weg, schlängelt sich der Zug durch sämtliche Winkel und Gassen, aber auch Gaststätten der Stadt. Auf dem Marktplatz warten die vielen Zuschauer gespannt auf das Spektakel, das beginnt, wenn im Nasenzug ein weibliches Wesen entdeckt wird. Wenn der Nasenzug die Stufen des Gasthauses "Kreuz" hinunter schreitet, sind es nur noch wenige Schritte bis zum Stadtbrunnen. Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr: wer immer sich als Frau in den Zug eingeschlichen hat und entdeckt ist, wird von Männerhänden hochgehoben und ohne Federlesens in den Stadtbrunnen geworfen. Die Damen revanchieren sich durch mehr oder weniger kräftiges Plantschen, so dass nicht nur die Nasenzügler, sondern auch einige umstehende Neugierige von der Nassen Pracht etwas abbekommen. Ungerührt setzt der Zug seinen Weg fort. Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen. Kaum findet sich noch ein Zuschauer am Weg - die Nasenzügler sind jetzt unter sich. Sie vergessen auch nicht, an der Friedhofsmauer vorbeizuziehen. Hier wird manches Horn leiser oder setzt ganz aus. Das Ende der Fasnet in Form des Nasenzugs begegnet dem Ende des menschlichen Lebens. Mancher stille Gruß und Dank weht ungehört über die Mauer hinüber.

Durchs Nasenzüglergässle geht es über den Gassensteg dem Ende entgegen. Nach eineinhalb bis zwei Stunden ohne Haltepause, treffen die inzwischen von einer eigenartigen Stimmung erfassten Teilnehmer an dem alten Lindenbaum im Schlosshof ein. In der nun hereingebrochenen Dunkelheit umkreisen sie ihn in einer großen, sich immer enger zusammen ziehenden Schnecke, der Höhepunkt zum Schluss. Wenn der Nasenzuganführer, auf der Holzbank um die Linde stehend seinen Besen über den Köpfen schwingt, verstummt allmählich die Musik. Er animiert die Anwesenden noch einmal, ihre Freude über die Fasnet hinaus zu jubilieren. Die alten Wolfacher Fasnetssprüche werden noch einmal inbrünstig deklamiert. Nie klingen sie schöner, als aus dreihundert Männerkehlen im Echo des umbauten Schlosshofes. Dann muss der Besenschwinger sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass bald die Fasnet "e Loch hot", worauf ein Seufzen und Wehklagen das gestandenste Mannsbild durchzittern lässt. Darum kann er sie nicht entlassen, ohne ihnen den Hoffnungsschimmer mitzugeben, dass es ab morgen "scho wieder degege goht". Zur Geschichte des Nasenzugs scheibt Josef Krausbeck in seinem Heft der Wolfacher Fasnet: Gegen 1850 wird auch der Nasenzug erwähnt, der als reiner Männer-Umzug und Umzug der männlichen Jugend noch an alte Sitten erinnert, dass die Fasnet ursprünglich nur eine Männersache war. Quelle: Narrenbote Nr. 35 "Journal Schwäbisch-Alemannischer Fastnacht" aus dem Jahr 2011 - Text verfasst von Wilfried Schuler.

hier geht's zur Homepage der Freien Narrenzunft Wolfach.