3. März 2014

Am westlichen Rande der alemannisch-schwäbischen Fastnachtslandschaft liegt die alte Weinstadt Endingen am Kaiserstuhl. In ihren Mauern wird eine Fasnet gefeiert, die in ihrem Wesen mancherlei Eigenheiten aufweist und sich von den Fastnachten im Schwarzwald, auf der Baar und am Bodensee unterscheidet. Die Endinger hängen sehr an ihren Bräuchen, nicht nur in der närrischen Zeit, denn Tradition hat in der ehemals vorderösterreichischen Stadt einen hohen Stellenwert. Mit der Narrenfigur des Jokili besitzen die Kaiserstühler eine der ältesten Brauchfiguren am Oberrhein, deren Existenz bis in das ausgehende achtzehnte Jahrhundert zurückverfolgt werden kann.

Wie bei vielen alten Narrenfiguren liegt auch die Herkunft des Endinger Jokili im Dunkeln. Sein Name, der sich wohl von dem lateinischen Wort „Ioculator“ (Possenreißer) ableitet, lässt die Vermutung zu, dass die Figur im romanischen Sprachraum ihren Ursprung hat. Die Hauptfigur der Endinger Fasnet, der Jokili, wird im Jahre 1782 erstmals fassbar. In jenem Jahr wurde auf dem Marktplatz der Stadt das Fasnetsspiel „Jokilis Heimkehr“ aufgeführt. Die heutige, im Jahre 1929 wieder gegründete Endinger Narrenzunft sieht sich als Nachfolgerin dieser frühen Fasnetszunft und der Fasnetsvereinigung „Krakehlia“, die im Jahre 1842 entstanden ist. Wie der Jokili im achtzehnten Jahrhundert aussah, weiß man nicht. Allzu sehr dürfte sein Erscheinungsbild aber nicht von dem heutigen abgewichen haben.

Im Jahre 1934 wurde das Gewand des Endinger Jokili farblich festgeschrieben. In Anlehnung an die Farben des Stadtwappens wurde das Narrenkleid in rot gehalten, die Zipfel blau-weiß eingefasst. Die Ironie des Schicksals und der Umstand, dass man zu Beginn der 1930er Jahre die Farbe Rot als Gewandfarbe gewählt hatte, wollte es, dass die Endinger Jokili gleich nach dem Zweiten Weltkrieg einen beachtlichen Zuwachs erhielten. Heute beteiligen sich bis zu achthundert Jokili am Narrentreiben und verwandeln das „Städtli“ in ein rotes Farbenmeer. Die närrische Zeit beginnt in Endingen an Maria Lichtmess (2. Februar). Ab diesem Tag dürfen sich die Kinder als „Häxli“ verkleiden. Ihre Heischegänge in den Geschäften der Stadt liefern einen Vorgeschmack auf die eigentlichen Fastnachtstage, die durch zwei eindrucksvolle Brunnenbräuche am schmutzigen Dunnschdig und am Fasnetzischdig eingerahmt sind.

Angeführt durch den Besenmann, gefolgt vom Stadttier und dem Zunftrat mit dem Narrenbaum auf den Schultern, setzt sich am Abend des schmutzigen Dunnschdig der große Hemdglunkerumzug in Bewegung. Zu Tausenden geht es dann durch die Altstadt zum Rathausbrunnen auf dem historischen Endinger Marktplatz. Nach dem Aufstellen des Narrenbaums wird dort in einer imposanten Zeremonie der Jokili aus dem Brunnen geholt. Nach einem ruhigen Fasnetfridig, dem Gedenktag an den Kreuzestod Christi angemessen, steht der Fasnetsamschdig wieder ganz im Zeichen der Narretei. Besonders am Abend ist wieder das ganze Städtli auf den Beinen. Zahlreiche fantasievolle Schnurrgruppen ziehen von Wirtshaus zu Wirtshaus, um hinter ihrer Maskierung den Leuten auf närrisch-offene Art so allerlei zu erzählen. Der Fasnetsunndig ist der lang ersehnte große Jokilitag. Am Morgen ruft der Stadthauptmann hoch zu Ross die Fasnet aus. Nach dem Mittagessen versammeln sich hunderte große und kleine Jokili außerhalb des Königschaffhauser Tors, im Volksmund „Torli“ genannt, um von dort aus zu ihrem Umzug aufzubrechen.

Zu den Klängen der beiden Endinger Narrenmärsche bewegt sich die große Jokilischar durch das Städtli zum Marktplatz, wo traditionell das Narrenbrot verteilt wird. Neben dem Oberjokili und dem Stadttier ist eine weitere Tiergestalt mit von der Partie: der Endinger Fasnetsstorch, der, wie sollte es auch anders sein, den Jokilisamen anführt. Am Abend des Sonntags, nach einer Stärkung in geselliger Runde in den Wohnstuben, trifft sich die große Jokilischar erneut, um sich nach einem stimmungsvollen Nachtumzug auf dem Marktplatz der Stadt einzufinden. Dort findet das Fasnetsverkünden durch den Oberjokili statt, wobei auch hier die alten Endinger „Fasnetssprichli“ und „Liadli“ zum Besten gegeben werden. Der Fasnetmändig beginnt mit dem ohrenbetäubenden Wecken. Die halbwegs ausgeschlafenen Narren treffen sich im Schlafanzug und mit allerlei Lärminstrumenten ausgerüstet, um gemeinsam mit dem Oberjokili durch die Straßen und Gassen zu ziehen. Ihre Katzenmusik wird nur unterbrochen durch den Aufruf des Oberjokili: „Stehn uf, stehn uf – ihr Narre ...“ Im Mittelpunkt des Fasnetmändig steht der Große Umzug mit den Endinger Traditionsfiguren und den Narrennestern. In den Narrennestern sind die Bewohner der einzelnen Stadtviertel organisiert, die mit ihren bunten Wagen und Fußgruppen das Ortsgeschehen glossieren.

Wie alles im Leben hat auch mal die Fasnet ihr Ende. Am Morgen des Fasnetzischdig ist es ruhig im Städtli. Da und dort hört man das Schellen der letzten Jokili auf ihrem späten Heimweg. Am Nachmittag wird es wieder lebendiger in der Stadt, wenn sich die Frauen in den Lokalen zu ihrem traditionellen Frauenrecht treffen. Nach Einbruch der Dunkelheit sammelt sich die Endinger Narrenschar zu ihrem letzten Umzug. Allesamt sind sie schwarz gekleidet, nur ihre weiße Rüsche und der mit Buchs verzierte Stecken erinnern an den Jokili. Unter dumpfem Tambourengetrommel formiert sich ein schauerlicher Trauerumzug. Auf einer Bahre wird der leblose Jokili zum Rathausbrunnen getragen, wo unter großem Wehklagen von ihm Abschied genommen wird. Im Anschluss an eine ergreifende Trauerrede wird er wieder in den Brunnen geworfen. Quelle: www.narren-spiegel.de

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